Der 30. Januar 1933 ist ein Datum von weltgeschichtlicher Bedeutung. An diesem Tag wurde Adolf Hitler zum deutschen Reichskanzler ernannt. Ein Ereignis mit all den bekannten negativen Folgen. Uns soll hier aber weniger die weltgeschichtliche Bedeutung beschäftigen, sondern vielmehr die Frage, wie dieser Tag in Karlsdorf begangen wurde und was in den letzten Monaten der Weimarer Republik in unserem Dorf geschah. Aus Anlass der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler fanden überall im Reich Fackelzüge und Jubelmärsche statt. So bewegte sich z. B. in Bruchsal ein großer Demonstrationszug durch die Stadt. Auch in Karlsdorf zog man durch die Straßen, natürlich war der Demonstrationszug kleiner als in Bruchsal, aber selbstverständlich mit „Musik an der Spitze und flankiert von Fackelträgern“. Und, wie der nationalsozialistische Chronist vermerkte, auf allen Gesichtern seien damals „Freude und Begeisterung“ zu sehen gewesen. Wobei er wohl recht hatte, denn zum einen blieben Gegner der NSDAP oder ihr gegenüber kritisch eingestellte Karlsdorfer dem Umzug sicherlich fern, während sich die Teilnehmer des Zuges vom neuen Reichskanzler eine Verbesserung ihrer Lage erhofften. Eine trügerische Hoffnung, wie sich herausstellen sollte.
Am Rathaus (unserem heutigen Heimatmuseum) angekommen, wurde eine Ansprache durch den Ortsgruppenleiter gehalten und anschließend die Nationalhymne gesungen. Weitere Aktivitäten in Karlsdorf aus Anlass der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler sind uns nicht bekannt.
Das Jahr 1932 war geprägt durch zahlreiche Wahlen, seien es Reichstags- oder Präsidentenwahlen. Die Aktivitäten der politischen Parteien liefen folgerichtig auf Hochtouren. Zahlreiche politische Veranstaltungen mit verschiedenen Rednern fanden in Karlsdorf statt. So hielt die NSDAP-Ortsgruppe im Februar und im März 1932 politische Versammlungen ab. Im April sprach Herbert Kraft (Landtagsabgeordneter der NSDAP und ab 1933 Präsident des Bad. Landtages) in Karlsdorf und auf einer Versammlung der Zentrumspartei ebenfalls im April wäre es fast zu Tätlichkeiten gekommen, da der Redner die Person Hitlers stark angegriffen hatte.
Bei den Reichstagswahlen im Juli 1932 erhielt das Zentrum noch die meisten Stimmen im Dorf, allerdings schon dicht gefolgt von den Nationalsozialisten. Diese hatten ihr Ergebnis im Vergleich zur Reichstagswahl am 14.09.1930 nahezu verdoppelt. Grund für den Stimmenzuwachs der Nationalsozialisten dürften u. a. die Aktivitäten der Karlsdorfer Ortsgruppe gewesen sein. Zusätzlich zu den politischen Versammlungen hatte man im Juni 1932 einen „deutschen Abend“ veranstaltet. Musik und ein „zeitgemäßes“ Theaterstück umrahmten die einzelnen Programmpunkte. Natürlich wurde an diesem Abend nicht versäumt, für die nationalsozialistische Sache zu werben. Dieser Abend wurde denn auch innerhalb der Ortsgruppe als großer Erfolg verbucht (erwähnt sei, dass der Turnverein eine Mitwirkung am Programm ablehnte). In einem Artikel im Bruchsaler Boten, einer eher dem Zentrum nahe stehenden Zeitung, hieß es hierzu, dass in Karlsdorf „… unter der Jugend der Hitlergeist im Zunehmen begriffen“ sei. Angespornt durch den Erfolg der Juli-Wahl wurde der Wahlkampf für die Reichstagswahlen im November 1932 mit großem Aufwand in Karlsdorf betrieben. So fand am 2.11.1932 in Karlsdorf eine Versammlung der NSDAP statt. Redner war Friedhelm Kemper, der ab 1931 Führer der bad. Hitlerjugend war. Bei der November-Wahl ging folgerichtig die NSDAP als stärkste Partei in Karlsdorf hervor, mit fast 150 Stimmen vor dem Zentrum. Ja, sie errang sogar die absolute Mehrheit der Stimmen in Karlsdorf und dies, obwohl die NSDAP insgesamt im Vergleich zur Juli-Wahl im Reich Verluste verbuchen musste. Im Jahr 1932 fanden zusätzlich zwei Präsidentenwahlen statt. Bei der 1. Wahl im März erhielt Hindenburg 628 und Hitler 375 Stimmen in Karlsdorf. Bei der notwendigen Stichwahl im April verbesserte Hitler sein Ergebnis auf 458 Stimmen, während Hindenburg 622 Stimmen erhielt. Die Wahlbeteiligung lag bei der Stichwahl um 6,5 % höher.
Im Januar 1933 wurde eine Ortsgruppe der nat. soz. Betriebszellenorganisation und am 28.08.1933 die Ortsgruppe der NS-Bauernschaft gegründet. Ein Jahr zuvor war die Hitlerjugend in Karlsdorf ins Leben gerufen worden. Wann die Gründung der Ortsgruppe der NSDAP in Karlsdorf erfolgte, ist derzeit noch fraglich. Als Gründungsjahr kann man sowohl 1931 als auch 1933 lesen (wenn uns hier jemand weiterhelfen könnte, wären wir dankbar).
Mit der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler, dem Reichstagsbrand und den folgenden Reichsverordnungen erhielten die Nationalsozialisten ungeheuren Auftrieb. Die Reichstagswahlen am 05. März 1933, die man nur noch eingeschränkt als freie Wahlen bezeichnen kann, warfen ihre Schatten voraus. Mit dem Verteilen von Flugblättern, mit Bild- und Schriftplakaten überall im Dorf wurde für die NSDAP geworben. Am 2. März 1933 fand auf dem Platz vor dem „Karlshof“ wieder eine Wahlveranstaltung der NSDAP mit einem auswärtigen Redner statt. Das Ergebnis der Wahl vom 5. März war dann entsprechend erfolgreich für die NSDAP. Mit über 700 Stimmen erreichte sie ein nie zuvor erzieltes Ergebnis. Am 7. März fand deshalb wieder ein Demonstrationszug durch die Straßen Karlsdorfs in Richtung Rathaus statt. An der Spitze dieses Zuges marschierten der NSDAP-Kreisleiter und der Ortsgruppenleiter. Der Kreisleiter sprach zu den Anwesenden und hob die Bedeutung des Tages hervor. Anschließend wurde die Hakenkreuzfahne auf dem Rathaus gehisst.